Rembrandt -
ein
europäisches Leben im „Goldenen Zeitalter“
Wir
begegnen dem Maler-Genie Rembrandt van Rijn in Amsterdam zu Beginn seiner
rasanten Karriere. Amsterdam ist vor
der Mitte des 17. J., im „Goldenen Zeitalter“ der Niederlande, eine aufstrebende
Stadt, die dabei ist, aus allen Nähten zu platzen.
Sie war die
bedeutendste und reichste Stadt der nördlichen Provinzen, die sich ein halbes
Jahrhundert zuvor vom spanischen Joch befreit hatten
Ihre Lage
an der Amstelmündung war ideal, Grachten durchzogen sie wie ein lebendiges Netz
, an ihren Kaimauern Lagerhäuser, Werften, Werkstätten, prunkvolle
Bürgerhäuser, Kirchen, Torbauten und Wachtürme.
Nach
Amsterdam strömten nicht nur Flüchtlinge aus den Südniederlanden. Aus Antwerpen,
dessen Bedeutunng als wichtigster Handelsstadt dieser Zeit durch eine Blockade
der spanischen Feinde zerstört worden war, kamen viele Familien der
Oberschicht, viele Handwerker und Händler. Jüdische Emigranten kamen aus Polen
und Deutschland, aus Portugal und Spanien auf der Flucht vor Verfolgung. Aber
auch Skandinavier, Griechen und Italiener zog es nach Amsterdam.
Innerhalb
von zwei Generation gab es einen ungeheuren Aufschwung, eine ungeheure
Konzentration verschiedenartigster Kräfte, die sich zu gemeinsamen
Unternehmungen zusammentaten. Zum Ostseehandel kam der mit den neuentdeckten
Ländern und Kontinenten.
Mit dieser
wirtschaftlichen Blüte entfalten sich auch die Künste in Amsterdam. Maler und
Dichter kommen, um hier zu leben und zu arbeiten.
das junge
Genie
Rembrandts
Werkstatt ist eine Art Akademie, mit Schülern aus ganz Europa, die von ihm
lernen wollen,
mit
Ateliers und einer stetig wachsenden Kunstsammlung aus Graphiken, Gemälden
berühmter Zeitgenossen, Exotica, Orientalischen Miniaturen, antiken Skulpturen,
Objekten,
die als Anregung und Vorlagen dienen.
Er führt
das Leben eines erfolgreichen Künstlers, der nicht nur Maler, sondern auch
Kunsthändler, Sammler und Lehrmeister ist und alles miteiander verbindet.
Sehr bald
ahmen viele Amsterdamer Künstler Rembrandts Stil nach, vor allem sein
Helldunkel.
Er wird mit
Aufträgen aus dem reichen Kaufmanns - Bürgertum, das sich verewigt sehen will,
überschüttet.
Jugend in
Leiden
Als
Rembrandt Harmenszoon am 15.Juli 1606 in Leiden geboren wurde, befanden sich
die Niederlande in einem schon lange dauernden Freiheits-Krieg (1568-1648, bis
zum Westf. Frieden) mit den katholischen Spaniern, von deren wirtschaftlicher
und religiöser Herrschaft sie sich befreien wollten.
Die sieben
nördlichen Provinzen hatten sich 1579 von Spanien lösen und die Ewige Union von
Utrecht gründen können. Drei jahre nach Rembrandts Geburt kam es zu einen zwölf
Jahre anhaltenden Waffenstillstand. In diese Zeit fällt Rembrandts Kindheit und
Jugend.
Leiden
hatte nicht nur die bedeutendste protestantische Hochschule ihrer Zeit, sondern
war auch eines der wichtigsten Textilzentren Europas, nachdem sich viele
flämische Weber, die wegen ihres Glaubens aus der Heimat fliehen mussten, in
der Stadt niedergelassen hatten.
Rembrandts
Eltern, Mitinhaber einr Mühle in der Nähe des alten Rheins ( Rembrandt fügte
deshalb die Bezeichnung van Rijn seinem Namen hinzu), gehörten zum wohlhabenden
Bürgertum.
Nach
Studien der Malerei in Leiden findet Rembrandt seinen eigentlichen Lehrmeister
in Amsterdam, den berühmten Historienmaler Pier Lastman.
Historien,
das waren Szenen aus dem alten und dem Neuen Testament, aus der Mythologie und
der Geschichte. Mit 18 Jahren kehrt Rembrandt nach Leiden zurück und eröffnet
zusammen mit einem Freund, der auch Lastmans Schüler war, ein Atelier.
Die beiden
jungen Künstler wollen ihren Lehrer Lastman in der Schilderung des
Gemütsausdrucks durch Betonung der
Mimik und der Gebärden übertreffen.
Rembrandt
sucht eine mehr monochromen Farbgebung, aus der er das Helldunkel weiter
entwickeln kann.
Die
Konzentration auf das - ganz gezielt ins Licht getauchte - Wesentliche
ermöglicht es ihm, mit einem Minimum an Handlung ein Maximum an seelischer
Spannung auszudrücken.
Er stellt die
historischen Figuren mitten in eine geschichtliche Situation, in einen
geschichtlichen Raum und charakterisiert sie allein durch Gebärde und Mimik,
nimmt die
Realität des Lebens in seine Bilder auf.
Das war neu
für die Malerei damaliger Zeit, die weitgehend den klassizistischen Regeln der
italienischen Kunst folgte.
Schon 1628
ist Rembrand in Leiden ein bekannter Maler. Sein Werk wird allgemein gerühmt.
Rembrandt ist fleissig, ausdauernd, Schüler wollen bei ihm lernen. Er studiert
an sich selbst und an seinen Modellen typische Haltungen und
Ausdrucksweisen.
Mitleidend
versetzt er sich in die Rollen seiner Protagonisten. Es gibt eine kleine
Radierung, in der er sich selbst als Bettler darstellt.
Leiden wird
zu eng. Rembrandt zieht mit 24 Jahren nach Amsterdam.
Liebe und
Glück
In der
blühenden Metropole Amsterdam, Juli 1634.
Rembrandt
heiratet ein schönes Mädchen aus angesehener Familie, Saskia van Uylenburgh.Sie
wird seine Inspiration, seine Muse; er malt sie als Flora, die bei den Römern
die Göttin alles Blühenden war, der Jugend, des fröhlichen Lebensgenusses.
Saskia als die Allegorie der guten Hoffnungen, des Glückes.
Er ist auf
der Höhe seiner Schaffenskraft. Es fällt ihm schwer, ein Gemälde als
abgeschlossen zu betrachten, wieder und wieder übermalt er, nimmt Änderungen
vor, erweitert sogar die Leinwand. Es gelingt ihm, durch die Gebärde einer
Figur, deren innere Stimmung wiederzugeben, es geht ihm um die natürlichsten
Bewegungen, die innigste Konzentration einer Szene.
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Die
äusseren Gebärden haben der inneren
Bewegung zu
entsprechen. Rembrandt richtet sich danach, was natürlich ist. Es ist die
Bewegung, die dem Bild Leben verleiht, als habe Rembrandt die Spontaneität der
Fotografie vorweggenommen. ( u.a.„Nachtwache“,
„das Fest
des Besazar“, „die Blendung Simsons“)
Rembrandt
hat seine „Akademie“ in der Breestraat, am Rande des Jüdischen Viertels, in der
Nähe reicher, vornehmer Kaufleute und erfolgreicher Künstler.
Die
iberischen Juden hatten in Amsterdam eine neue Heimat gefunden und es ihr „Neues
Jerusalem“ genannt. Die jüdische Gemeinde hatte ein reiches, eigenständiges
geistiges und soziales Leben entfaltet, in dessen Nachbarschaft Rembrandt gerne
zuhause ist. Seine Nachbarn heissen Belmonte, Pinto, Rodrigo. Es wird spanisch
und portugiesisch gesprochen, im Volksmund sind sie die „Spanier“.
Über
zwei Jahrzente dauert seine Freundschaft mit einem grossen jüdischen
Schriftgelehrten, dem Rabbiner Menasseh ben Israel, die ihm ein tieferes
Verständis des jüdischen Glaubens, jüdischer Geschichte bringt.
Unglück und
Hader
In
den späten 30er jahren verschafft sich der Tod Zutritt zu Rembrandts und
Saskias noch jungem Familienleben; der Tod war nah am täglichen Leben in jenen
Zeiten. Der kleine Sohn stirbt, dann eine Schwester Saskias, dann das Töchterchen
Cornelia, dann Rembrandts Mutter und die zweite kleine Tochter, dann eine
zweite Schwester Saskias, die von ihr so geliebte Titia. In fünf Jahren,
zwischen 1636 und 1641, sechs nahe Menschen.
Der
Tod wird Thema auch in Rembrandts Werk. Saskia schenkt 1641 noch einem Sohn das
Leben, stirbt aber Monate später. Die Leere, die sie hinterlässt, trifft
Rembrandt zutiefst und lähmt seine schöpferische Kraft. Der junge Witwer geht
ganz in der Vaterrolle auf, alle Kinder, die Saskia ihm vorher geboren hatte,
waren nach kurzer Zeit gestorben. Nun richtet er seine ganze Liebe auf Titus,
den nach Titia benannten.
Doch
nicht nur die familiäre Situation hatte Rembrandt in eine Krise geführt, die
ihn Althergebrachtes anzweifeln lässt. In seiner Entwicklung als Maler hat er
mit Historienbildern den Gipfel der barocken Kunst erreicht. Seine Werke
übertreffen in der erzählerischen Konsequenz, in der Erfassung von
Gemütsbewegungen und in der realistischen Auffassung sogar die von Rubens.
(Um
1640, in dieser Krise, gerät die holländische Kunst langsam unter den Einfluss
klassizistischer Strömungen,
mit
helleren Malweisen, mehr klassische Perspektive und Dekor.)
Das
Leben meint es nicht mehr gut mit ihm. Die Kinderpflegerin Geertghe Dircx, die
er für Titus ins Haus genommen und mit der er eine Liebschaft hat, verklagt ihn
nach viel Streit auf Eheschliessung. Das Gericht erlegt ihm Zahlungen an
Geertghe auf. Nach neuem Zwist bringt
er sie ins Zuchthaus, den Bruder gleich mit. Diesen Prozessen sollten noch
andere folgen.
Ein
Lichtblick in der Pechsträhne ist die junge Hendrickje Stoffels, nach Geertghe
seine Haushälterin und Geliebte, zwanzig Jahre jünger.
Als
sie ein Kind erwartet, wird sie vor den Kirchenrat zitiert.(Rembrandt konnte
sie nicht heiraten, da er sonst die Hälfte von Saskias Erbe an deren Verwandte
hätte auszahlen müssen, wie das Testament vorsah.)
der grosse
Konkurs
Und
Rembrandt ist schon seit Jahren in Geld-schwierigkeiten, kann keine Zinsen und
Steuern und die Raten für sein Haus nicht mehr zahlen. Mit einem völlig
unrealistischen Haltung in Geldgeschäften war er jahrelang unausweichlich auf
einen Konkurs
zugesteuert.
Durch Versprechungen und Kontrakte, die er nicht halten kann, bringt er sich
bei Freunden, die ihm hohe Summen leihen und bei Gläubigern in Misskredit. Durch Spekulationen mit Seehandelsapieren gerade zur Zeit des
ersten Seekrieges zwischen England und Holland (1652-1654) verliert er
ausserdem viel Vermögen.
Und
er macht immer wieder neue Schulden.
Schliesslich
muss er den Hohen Rat in Den Haag um einen ehrenhafte gerichtliche Lösung
seiner Situation bitten.
Das
Schuldgefängnis bleibt ihm erspart. Seine Habe
in
Gestalt seiner riesigen und berühmten Sammlung wird im November 1657 zur
Auktion freigegeben.
Er
hatte sie auch im Hinblick auf eigene Studien und als Quelle der Inspiration
angelegt. Sie umfasste neben wertvoller Grafik, Gemälden ( u.a.von Rubens,
Raffael, Lucas van Leyden,) antiken Skulpturen, und Kunstwerken Gegenstände aus
der Pflanzen- und Tierwelt, Exotika aus fernen Ländern und historisch
bedeutende Objekte, kurz, es war eine kostbare enzyklopädische Sammlung, wie
sie damals häufig von adligen und reichen Kunstliebhabern angelegt wurde,
die
eigentlich viel Geld bringen sollte.
Aber
das Pech verfolgt ihn. Händler und Sammler hatten sich wohl untereinander abgesprochen und so
werden die Kostbarkeiten unter Preis verschleudert.
Als
Folge davon wird auch sein Haus versteigert.
Neuanfang
ins Alter
Rembrandt
kommt erst wieder Jahre später zur Ruhe,als die schlimmsten gerichtlichen
Auseinandersetzungen überstanden sind. Hendrickje und Sohn Titus verwalten wegen Rembrandts Geschäftsunfähigkeit die
neue Kunsthandlung und das neue Atelier an der Rosengracht im sozial
schwächeren Jordanviertel selbst,
wobei
Rembrandt ihnen alle zukünftigen Einnahmen aus dem Verkauf seiner Werke
verpfändet, eine Regelung, die sich weitgehend bewährt und ihm erlaubt, eine
neue Kunstsammlung aufzubauen.
Trotzdem
gelingt es Rembrandt nicht, sich durch seine Arbeit von der Schuldenlast zu
befreien, in die er immer wieder durch neue Darlehen gerät, die er nicht zurückzahlen kann.
Sein
Ruhm ist inzwischen bis nach Italien gedrungen, er wird als gleichrangig mit
den Grossen der europäischen
Malerei
genannt, mit Michelangelo, mit Raffael.
Doch
Rembrandts expressionistischer Spätstil, der grossflächige Farbauftrag, der
bewusst breite Pinselstrich und die rauhe Struktur der mit dem Spachtel
aufge-tragenen Farbe rufen auch bei einigen Zeitgenossen den Eindruck hervor,
seine späten Bilder seien unvollendet. Immer wieder muss er Bilder übermalen,
sicher widerstrebend, denn durch den pastosen Auftrag der Farbe will er sie ja
zum Leuchten bringen.
Mitte
der fünfziger Jahre erlebt er sich selbst zunehmend als alter Mensch. An den
Selbstporträts können wir verfolgen, wie sein Haar schütter wird und die Haut
erschlafft. Sein Gesicht ist faltig und leicht aufgedunsen.
Hendrickje,
die ihn seit dem umwerfenden Konkurs gut durch alle Fallen, die ihm das Leben
stellte, geleitet hat, stirbt 1663, der geliebte Sohn Titus 1668, im Oktober
1669 stirbt Rembrandt.
der Film
Der essayistisch - dokumentarische Film hebt vor
allem
Rembrandt
als Menschen hervor, zeigt ihn im gesellschaftlichen Umfeld seiner Amsterdamer
Zeit,
als
besessenen Maler, als Sammler, als bewunderten europäischen Künstler des
„goldenen Zeitalters“, zu dem Schüler
aus allen Ländern Europas pilgern.
Der
Film entfaltet auch Höhen und Tiefen seines Lebens, zeigt ihn in seinem kurzen Glück
mit Saskia, mit Hendrickje, und im drohenden finanziellen und sozialen
Niedergang, dem er - zum Teil selbst verschuldet und zum Teil unverschuldet -
nicht entrinnen kann.
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